Die Entstehung eines Kunstwerks
Um das Architektur- und Umwelthaus zu einem interessanten und anregenden Ort für alle Bürger Naumburgs werden zu lassen, wurde im Herbst 2010 ein Kontakt zur Initiative "Neue Auftraggeber" hergestellt.
Die Neuen Auftraggeber
„Mittelsmänner: Wenn sich Bürger für ihre Kommune engagieren wollen, fehlt es bisweilen an Ideen und fast immer an Geld. Eine Initiative vermittelt zwischen Künstlern und Bürgern. Und bringt zwei Welten zusammen.“
Dieses Zitat aus dem Heft „Brandeins“ machte uns neugierig und auch zuversichtlich, dass wir in der Initiative „Neue Auftraggeber“ einen weiteren Partner finden würden. Es ist eine Initiative aus Frankreich, die auch in Deutschland Fuß fassen will. Ihr erklärtes Ziel ist es, Bürger und Künstler zu gemeinsamen kreativen Prozessen zusammenzuführen.
Der Naumburger Bürgerverein als Auftraggeber für ein Kunstwerk
Von Anfang an, als bei uns die Idee eines Architektur- und Umwelthauses reifte, wünschten wir uns einen Künstler, der das Haus bereits in der Entstehungsphase mit seinen Denkansätzen und Sichtweisen bereichert.Es wurde ein Künstler gesucht, der in der Lage war, sich auf den besonderen Bildungsansatz und auf die Stadt Naumburg einzulassen.
Nachdem die Initiatoren des Architektur- und Umwelthauses die Neuen Auftraggeber im Herbst 2010 kontaktiert hatten, wurde über Frank Motz als Vertreter der Neuen Auftraggeber die Verbindung zum Künstler Henrik Schrat hergestellt, über dessen Schaffen folgendes gesagt wird: "Schrats Kunstkaskaden und narrative Narreteien mit ihren Downside-Ups und Upside-Downs, Spiegelungen und doppelten Böden formten sich über die Jahre zu einem detailversessenen Welttheater, dessen Drehmomente fiktiv scheinen - aber irre relevant sind. Schattenspiele und Schwarzweißmalereien bilden das Gros des mal von politischer, mal philosophischer Sehschärfe, von Aktualität und sozialer Aktion, von Witz und Unterhaltungswert gezeichneten Werks."
Schon seine ersten skizzenhaften Ansätze, die er im Juli letzten Jahren bei einer Veranstaltung vorgestellt hat, begeisterten uns und haben zu weiterführenden Überlegungen animiert, die weit über das eigentliche Kunstwerk hinausgingen. Auch in der Vorbereitungsphase der Ausstellung hat er durch eine harmlose Frage zu den berühmten Kirschfestschattenrissen eine Kettenreaktion angestoßen, die zu Gestaltungsvorschlägen für ein Geländer führten.
Entwicklung des Kunstprojektes
Der seit Januar 2011 laufende Prozess der Kommunikation und Ideenfindung zwischen den verschiedenen Beteiligten zur integrativen Erstellung eines Kunstwerkes wurde finanziert durch die Bundeszentrale für politische Bildung.
Erste Ideen wurden im Juni 2011 in einer Präsentation auf einem Symposium, das in Naumburg zum Projekt stattfand, vorgestellt. Bezugnehmend auf die Geschichte des Hauses hatte der Vortrag von Henrik Schrat den Titel Klavierlack und Bettefedern. Zu diesem Zeitpunkt wurden mehrere parallele Ideen diskutiert.
Im November 2011 wurde die zentrale Idee in Form von zwei Plakaten präzisiert, die für eine lokale Kulturmesse in Naumburg zur Vorstellung des Projektes entwickelt wurden. Hier wurde bereits der Kirschkern als Objekt fokussiert, und das Projekt hat den Titel Die Naumburger Kernfusion erhalten.
Die Kernfusion: "Kirschkerne sind nicht des Pudels Kern und auch nicht der Kern der Dinge, aber sie bergen die Möglichkeit des neuen Baumes. Und viele Kerne ergeben eine große Menge. Was Abfall war, kann unter ökologischen Gesichtspunkten zum Ausgangspunkt werden. Durch Sammeln und Fusionieren wird soziale Energie freigesetzt."
Im Februar 2012 wurde zum Künstler Schrat eine Ausstellung im ACC Weimar eröffnet, in der auch das Naumburger Architektur- und Umwelthaus ausführlich dargestellt wurde. Parallel zur Ausstellung fanden mehrere begleitende Diskussionsrunden zum Thema Kunst und Neue Auftraggeber statt.
Im Juni 2012 wurde anlässlich des Naumburger Kirschfestes eine Kirschkernsammelaktion gestartet, die als Werbung und als Öffentlichkeitsbeteiligung zu verstehen ist.
Nachdem im Juli 2012 die Kosten des Kunstwerkes präzisiert waren, suchte der Bürgerverein nach Förderern.
Im Juni 2013 erhält der Bürgerverein ein Förderzusage für das Kunstprojekt von Lotto-Toto GmbH. Damit liegen bereits Förderzusagen von insgesamt 27.000 € vor.
März 2014 liegt eine Grafikmappe vor, in der 7 Schattenrisse die neu erfundene Kirschfest-Legende bebildert. Der Künstler hat diese Bilder im Siebdruckverfahren auf Büttenpapier herstellen lassen und diese 30 Exemplaren handsigniert. Die Grafikmappen werden vom Bürgerverein an Interessierte zu je 300 € verkauft, um durch den Erlös die benötigten Eigenmittel anzuwerben.
Was planen wir genau?
In der nun anstehenden Realisierungsphase soll mit Kirschkernen experimentiert und gearbeitet werden. Die Decke des Eingangsbereichs wird mit Kirschkernen gestaltet und soll dem zugrundeliegenden Gedanken der Gemeinschaft von vielen in diesem Haus Ausdruck verleihen. Das Kunstwerk soll das Haus durchdringen und mit der Begegnungsstätte eng verwoben sein. Es ist geplant, die Kirschkernsammelaktion der letzten Jahr auch in diesem Jahr fortzusetzen und so möglichst viele Bürger der Stadt in das Kunstwerk einzubeziehen.
In Naumburg findet jedes Jahr das legendäre Kirschfest statt, zu dem Tausende von Besuchern nach Naumburg strömen. Den Ursprung bildet die Hussitensage, die, obwohl die Hussiten erwiesenermaßen nie in Naumburg waren, substantiell die kulturelle Identität Naumburgs prägt. Für den Künstler Walter Hege lieferte sie den Anlass, zwölf Schattenrisse zu schaffen, die auf dem Naumburger Notgeld von 1920 abgebildet wurden und sich nach wie vor großer Popularität erfreuen. Beim Schattenriss schließt sich ein formaler Kreis zur Arbeit von Henrik Schrat. Er hat daher für das Geländer auf dem Seitenflügel des Gebäudes eine neue Abfolge von Schattenrissen entworfen, zu der er auch schon eine eigene Geschichte verfasst hat.
Zusammen mit verschiedenen Schulen in Naumburg und der tatkräftigen Unterstützung von Mitgliedern der beteiligten Vereine und natürlich vieler interessierter Bürger soll das Kunstwerk endlich Gestalt annehmen, sich aber auch ständig weiterentwickeln und zu neuen Projekten führen. So entstand schon die Idee einer Kirschkernzählmaschine oder zur Eröffnung des AUH wurde eine Kirschkernmurmelbahn aufgebaut, die sich immer noch großer Beliebtheit erfreut. Alle diese Aktivitäten zeigen die unglaubliche Wandlungsfähigkeit der Kirschkernidee als soziales Kunstwerk.